Von XT600Z zu WR450: 20 Jahre Unterschied
Ein Bericht über die neue WR450 aus der Sicht eines alten XT-Fahrers.
Herbi 25.6.03

 
schmale Silhouette

Seit 18 Jahren fahre ich eine XTZ600 TÉNÉRÉ. Mit zwei Typen dieser ersten XT600 Version (Model 85, 47N) hab ich insgesamt schon über 260'000km gefahren. Dabei gewöhnt man sich an die alte Kiste und nimmt ihr so manche Macke nicht mehr übel. Aber in den letzten 20 Jahren ist die Technik nicht stehen geblieben und es gibt inzwischen viele leichtere, stärkere und handlichere Enduros.
Deshalb griff ich zu als ich die Gelegenheit bekam die neuste Yamaha Enduro mit der 20 Jahre alten Technik (1983) der XT600 zu vergleichen. Natürlich habe ich auch schon Probefahrten mit diversen anderen Enduros gemacht. Doch ein kurzer Proberitt ist nichts gegen eine ausgiebige Schottertour durchs Luzerner Hinterland.
Da steht sie also vor mir, schlank und rank. Die Silhouette gibt nicht viel mehr her als jede 125er und etwa so leicht ist sie den auch mit 128kg voll getankt. Wenn man allerdings erst mal aufsteigt merkt man die hohe Sitzposition von über 90cm. Einen Zündschlüssel gib es nicht aber einen elektrischen Anlasser! Dies ist doch unerwartet für eine solche Gewichtsoptimierte Maschine. Für mich als alter 600 "Stampfi" gibt es auch einen Kickstarter. Mit einem Tritt brüllt sie los, das ist halt kein "600er Klopfer" mehr. Schon nach wenigen 100m geht’s den ersten Hang hinauf. Nach einer Kurve würge ich den Motor ab. Hatte wohl einen zu grossen Gang eingelegt. Das Ding will gedreht werden! Das ist keine XT die mit stoischer Ruhe in tiefen Drehzahlen den Hang raufklettert. Ich habe auch schon meine KTM-Kollegen gefragt weshalb sie dauernd soviel Schotter nach hinten werfen. Das ist es also die Dinger müssen gedreht werden sonst würgst du sie ab. Mit 95mm hat sie genau gleich viel Bohrung wie die 600er XT aber 20mm weniger Hub (63.4mm). Hält man den Kurzhub Motor mit reichlich Drehzahl bei Laune, zeigt er sich von der freudigen Seite: immer ist genug Leistung vorhanden. Schräg in ein Loch gefahren, kein Problem ein kurzer Dreh am Gasgriff und der Motor schiebt die Kieste wieder raus. Das kann die gute alte XT nicht so gut. Sie ist allerdings auch 45kg schwerer und ihr Motor hat fast in jeder Drehzahl ein schönes Drehmoment ist aber etwas träger.
Das Fahrwerk der WR ist um Klassen besser als das der XT. Aber nach 20 Jahren kann man ja etwas Besseres erwarten. Die Bremsen sind absolut erstklassig, die packen voll zu und sind dennoch gut zu dosieren was im Gelände sehr wichtig ist. Die Gabel verwindet sich gar nichts beim bremsen. Dagegen kann man die Bremsen der XT nur als mässig gut bezeichnen. Wobei die Trommelbremse, ja so etwas hat man vor 20 Jahren noch eingebaut, eigentlich noch besser ist als die Scheibe vorne. Diese ist schnell überfordert und die Gabel verwindet sich stark beim Bremsen.
Das Fahrwerk der WR steckt alles locker weg. Zumindest was wir auf Schotter- und Waldstrassen so vorfanden. Löcher oder grössere Steine, kein Problem die WR zieht fast unbemerkt ihre Bahn durch.
Die Sitzposition ist viel weiter vorne als bei der Ténéré, man hat das Gefühl fast auf dem Lenker zu sitzen. Man kann natürlich problemlos nach hinten rutschen, doch so richtig gut sitz man nur vorne. Der Sattel ist viel zu hart und schmal. Weite Tagestouren werden so zur Tourtour.
Als Fazit kann man sagen, das die WR450 ein klasse "Turngerät" ist, die schnell süchtig macht. Die XT ist mehr die solide Reisegefährtin, die fast für alles zu gebrauchen ist. Bremsen und Fahrwerk der WR würde ich sofort übernehmen. Wenn man aber ins Piemont fahren will und mit demselben Töff die Ligurischen Grenzkammstrasse geniessen will ist eine etwas solidere Enduro besser geeignet. Mit der alten XT kann man noch alles machen. Wofür man die WR450 auf dem Autoanhänger mitnimmt und dann in den Bergen mehr Spass hat.
Nicht nur Österreicher können gute Enduros bauen, Yamaha kann’s immer noch. Da bin ich mal gespannt auf die neue 600er XT nächstes Jahr!

Model XTZ600         WR450        
Jahr 1983 2003
Hubraum 595cm3 449cm3
Leistung 43PS  52PS 
Drehmoment 49Nm 49Nm
Starter Kick Elektro / Kick
Tankinhalt 28lt. 10lt.
Räder v / h 21" / 18" 21" / 18"
Federweg v / h 255 / 235mm 300 / 315mm
Gewicht 165kg 112kg
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